Deklaration
über die Bezeichnung und Stellung der kroatischen Schriftsprache
Die vorliegende Deklaration wurde am 15. März 1967 in
der Plenarsitzung des Kroatischen Schriftstellerverbandes in Zagreb einstimmig
angenommen. Ausserdem wurde sie von allen für die Literatur und Sprache
zuständigen kroatischen Institutionen und von allen Fachleuten unterschrieben,
von denen besonders der Schriftsteller Miroslav KRLEZA und Prof. Ljudevit
JONKE, beides aktive Mitglieder der kommunistischen Partei Kroatiens, hervorzuheben
sind.
Das jugoslawische Polizeiregime, das auf einer
fiktiven politischen Einheit der Südslawen beruht, in der Tat aber im Dienste
der serbischen Hegemonie steht, wußte gegenüber der Solidarität der kroatischen
Institutionen und Persönlichkeiten keine andere Antwort auf die Deklaration
über die Benennung und die Lage der kroatischen Schriftsprache, als die Drohung
und die Anwendung der Gewalt gegenüber den Unterzeichnern der Deklaration.
Trotz dieser Reaktion des jugoslawischen Regimes bleibt die Deklaration ein
unzerstörbares Dokument des hohen demokratischen und vaterländischen
Bewußtseins der kroatisdien Intelligenz, die, in enger Verbindung mit dem Volk,
aus dem sie hervorgeht, tapfer das Recht auf nationale Selbstbestimmung des
kroatischen Volkes verteidigt. Die KROATISCHE RUNDSCHAU hält es für ihre
besonders ehrenvolle Pflicht, für das internationale Publikum die Deklaration
in deutscher Sprache herauszugeben.
DIE REDAKTION
Der jahrhundertelange Kampf der jugoslawischen Völker
um nationale Freiheit und soziale Gerechtigkeit gipfelte in der revolutionären
Umgestaltung in der Zeit von 1941 bis 1945. Die Errungenschaften der
Volksbefreiungs-kämpfe gaben allen Völkern und Volksgruppen in Jugoslawien die
Möglichkeit, in eine neue Phase ihrer geschichtlichen Existenz einzutreten.
Gestützt auf die grundlegenden Prinzipien des Sozialismus über das Recht eines
jeden Menschen, frei von jeder Unterdrückung zu leben, und das Recht eines
jeden Volkes auf völlige Souveränität und unbeschränkte Gleichberechtigung mit
allen anderen nationalen Gemeinschaften, bildeten die Slowenen, Kroaten,
Serben, Montenegriner und Mazedonier einen föderativen Bund als Garantie dieser
gegenseitigen Gleichberechtigung, Brüderlichkeit und sozialistischen
Zusammenarbeit.
Das Prinzip der nationalen Souveränität und völligen
Gleichberechtigung beinhaltet auch das Recht eines jeden unserer Völker, alle
Attribute seiner nationalen Existenz zu bewahren und nicht nur seine
wirtschaftliche, sondern auch seine kulturelle Tätigkeit maximal zu entwickeln.
Unter diesen Attributen spielt die eigene nationale Bezeichnung der Sprache,
derer das kroatische Volk sich bedient, eine wichtige Rolle, denn es ist ein
unveräußerliches Recht eines jeden Volkes, seine Sprache mit seinem eigenen Namen
zu benennen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um ein philologisches Phänomen
handelt, das im Rahmen einer besonderen sprachlichen Variante oder sogar
insgesamt auch einem anderen Volk eigen ist.
Die Neusatzer Übereinkunft („Novisadski dogovor")
hat zu Recht die Gemeinsamkeit der linguistischen Grundlage der serbischen und
der kroatischen Schriftsprache unterstrichen und die historische,
kulturhistorische, nationale und politische Wahrheit vom Recht eines jeden
Volkes auf das eigene Sprachmedium des nationalen und Kulturellen Lebens nicht
bestritten. Diese Errungensdiaften haben auch in den Verfassungstexten und im
Programm des Bundes der Kommunisten, der politischen Vorhut unserer Völker im
revolutionärenKampf, ihre Formulierung gefunden.
Aber trotz der Klarheit der Grundprinzipien haben es
gewisse Ungenauigkeiten in Formulierungen möglich gemacht, diese Prinzipien in
der Praxis zu umgehen, zu verzerren und im breiten Rahmen der Realitäten
unseres gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens zu verletzen. Die Umstände,
unter denen in unserem Lande etatistische, unitaristisdie und hegemonistische
Tendenzen wiederaufgelebt sind, sind bekannt. Im Zusammenhang mit ihnen tauchte
auch die Konzeption von der Notwendigkeit einer einheitlichen »Staatssprache" auf, wobei diese
Rolle in der Praxis wegen des dominierenden Einflusses des Verwaltungszentrums
(Belgrad) unserer staatlichen Gemeinschaft der serbischen Schriftspradie
zugedacht wurde. Obwohl auf dem VIII. Kongreß, dem IV. und dem V. Plenum des
ZK/BdKJ die Bedeutung der sozialistischen Prinzipien über die
Gleichberechtigung unserer Völker und dementsprechend auch ihrer Sprache in
unseren Tagen betont worden ist, wird faktisch mit Hilfe des
Verwaltungsapparats und der Mittel der öffentlichen und Massen-kommunikation
(Bundeszeitungen, TANJUG, in gemeinsamen Sendungen des jugoslawischen Rundfunks
und des Fernsehens, im Eisenbahnwesen, in der wirtschaftlichen und politischen
Literatur, in Filmjournalen, den verschiedenen behördlichen Formularen), sowie
durch die Sprachpraxis in den diplomatischen und politischen Organisationen
eine „Staatssprache" der jugoslawischen
Volksarmee, der Bundesverwaltung, der Gesetzgebung, aufgezwungen, so daß die
kroatische Schrift- und Literatursprache unterdrückt und in die ungleiche
Stellung eines lokalen Dialekts gedrängt wird.
Die außerordentlich wichtige, sich auf die
wesentlichen Eigenschaften unserer sozialistischen
Selbstverwaltungsgesellschaft stützende Initiative zur wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Reform verpflichtet uns, in unserem Wirkungsbereich —
Sprache, Literatur, Wissenschaft und Kultur im allgemeinen — alles Notwendige
für die Realisierung aller dargelegten Prinzipien unserer sozialistischen
Struktur in der Praxis zu unternehmen.
Von dieser Grundlage ausgehend, sind die
unterzeichneten kroatischen kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen
und Organisationen der Auffassung, daß es unbedingt notwendig ist:
1. Durch Verfassungsbestimmungen die Gleichheit und
Gleichberechtigung aller vier Schriftsprachen: Slowenisch, Kroatisch, Serbisch
und Mazedonisch klar und unzweideutig festzulegen. Zu diesem Zweck muß die
Formulierung des Art. 131 der Verfassung der SFRJ geändert werden und müßte
folgendermaßen lauten:
„Der authentische Text der Bundesgesetze und aller
anderen allgemeinen Akte der Bundesorgane wird in den vier Schriftsprachen der
Völker Jugoslawiens: Serbisch, Kroatisch, Slowenisch und Mazedonisch
veröffentlicht. Die Bundesorgane sind verpflichtet, sich im Amtsverkehr an das
Prinzip der Gleichberechtigung aller Sprachen der Völker Jugoslawiens zu
halten."
Mit einer adäquaten Formulierung müssen auch die
sprachlichen Rechte der nationalen Minderheiten in Jugoslawien gesichert
werden.
Die bisherige Verfassungsbestimmung über die
„serbokroatische" bzw. „kroatoserbisdie Sprache" ermöglicht es wegen
ihrer mangelnden Präzision, daß diese Parallelbezeidmung als Synonym, aber
nicht als Fundament der Gleichberechtigung der kroatischen und der serbischen
Literatursprache sowohl im Verhältnis zueinander wie zu den Sprachen der
übrigen jugoslawischen Völker gleichzeitig aufgefaßt wird. Eine derartige
Unklarheit ermöglicht es, daß sich kraft der Realitäten in der Praxis die
serbische Literatursprache als einheitliche Sprache der Serben und Kroaten
aufgedrängt wird. Unzählige Beispiele, darunter als neuestes die Beschlüsse der
V. Versammlung des Bundes der Komponisten Jugoslawiens, beweisen, daß dies die
Wirklichkeit ist. Diese Beschlüsse sind gleichzeitig in serbischer,
slowenischer und mazedonischer Version veröffentlicht worden, als gäbe es
überhaupt keine kroatische Schriftsprache, oder als sei diese mit der
serbischen identisch.
Die unterzeichneten Institutionen und Organisationen
sind der Auffassung, daß das kroatische Volk in solchen Fällen nicht vertreten
ist und keine gleichberechtigte Stellung einnimmt. Eine solche Praxis kann
keinesfalls mit der im übrigen nicht anzuzweifelnden Tatsache gerechtfertigt
werden, daß die kroatische und die serbische Schriftsprache eine gemeinsame
linguistische Grundlage haben.
2. In Übereinstimmung mit den obigen Forderungen und
Erläuterungen ist es notwendig, wo immer es sich um die kroatisdie Bevölkerung
handelt, die konsequente Anwendung der kroatischen Schriftsprache in den
Schulen, in der Presse, im öffentlichen und politischen Leben, im Rundfunk und
Fernsehen zu sichern und dafür zu sorgen, daß Angestellte (gemeint sind
insbesondere Behördenangestellte), Lehrer und öffentlich wirkende Personen,
ohne Rücksicht auf ihre Herkunft, sich der Literatursprache jenes Kreises
bedienen, in dem sie wirken.
Wir unterbreiten diese Deklaration dem Sabor
(Landesparlament) der Sozialistischen Republik Kroatien, der Bundesversammlung
der SFRJ und unserer gesamten t3ffentlichKeit, damit die dargelegten Prinzipien
bei der in Vorbereitung befindlichen Verfassungsänderung unzweideutig
formuliert und in Übereinstimmung hiermit ihre konsequente Anwendung in unserem
gesell-schaftlichen Leben gesichert wird. („Telegram", 17. 3. 1967.)
Matica hrvatska (Mutterhört
für kroatische Kultur)
Schriftstellerverband
Kroatiens
PEN-CLUB, Kroatische Zentrale
Kroatische Philologische
Gesellschaft (JA ZU)
Abteilung für Philologie der
Südslawischen Akademie der Wissenschaften und Künste (JAZU)
Abteilung für moderne
Literatur der JA ZU
Institut der Sprache der JAZU
Institut für Literatur und
Theatrologie der JA ZU
Lehrstuhl für moderne
kroatisch-serbische Sprache der philosophischen Fakultät in Zadar
Lehrstuhl für moderne
kroatisch-serbische Sprache der philosophischen Fakultät in Zagreb
Lehrstuhl für Geschichte der
kroatischen Sprache und Dialektologie der philosophischen Fakultät in Zagreb
Lehrstuhl für ältere
kroatische Literatur der philosophiscben Fakultät in Zadar
Lehrstuhl für ältere
kroatische Literatur der philosophischen Fakultät in Zagreb
Lehrstuhl für neuere
kroatische Literatur der philosophischen Fakultät in Zadar
Lehrstuhl für neuere
kroatische Literatur der philosophischen Fakultät in Zagreb
Institut für Linguistik der
philosophischen Fakultät in Zagreb
Institut für Literaturwissenschaft
der philosophischen Fakultät in Zagreb
Altslawisches Institut in
Zagreb
Verein der literarischen
Übersetzer Kroatiens
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Hrvatska Revija,
godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967
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XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967
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München, Kolovoz 1967
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Deklaracije (1076-1967) – Vinko Nikolić - Hrvatska Revija, godina
XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967
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Spanish
Los croatas en defensa de su idioma
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La declaración sobre la denominación y
la situación actual del idioma literario croata - Studia
Croatica, Año VIII, Buenos Aires, 1967, N° 24-27
Proyecto de resolución de un grupo de
escritores servios - Studia Croatica, Año VIII, Buenos Aires,
1967, N° 24-27
La lengua croata - Zdravko
Sancevic, Caracas, Venezuela - Studia Croatica, Año VIII, Buenos Aires, 1967,
N° 24-27
German
Deklaration
über die Bezeichnung und Stellung der kroatischen Schriftsprache - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66),
München, Kolovoz 1967
Appell
kroatischer Schriftsteller im Exil - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz
1967
French
Declaration
sur l'appellation de la langue littéraire croate et sur sa situation dans les
circonstances actuelles (1967) - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz
1967
Appel
des écrivains croates en exil (1967) - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66),
München, Kolovoz 1967
English
Serbo-Croatian
or Serbian and Croatian? Considerations on the Croatian Declaration and Serbian
Proposal of March 1967 –
Includes the Declaration Concerning the
Name and the Position of the Croatian Literary Language - Christopher
Spalatin - Journal of Croatian Studies, VII-VIII, 1966-1967, Annual Review of
the Croatian Academy of America, Inc., New York
Statement
of the Croatian Academy of America Regarding the Zagreb Language Declaration
(1967) - Journal of
Croatian Studies, VII-VIII, 1966-1967, Annual Review of the Croatian Academy of
America, Inc., New York
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