Wednesday 29 March 2017

Deklaration über die Bezeichnung und Stellung der kroatischen Schriftsprache (1967)

Deklaration über die Bezeichnung und Stellung der kroatischen Schriftsprache

Die vorliegende Deklaration wurde am 15. März 1967 in der Plenarsitzung des Kroatischen Schriftstellerverbandes in Zagreb einstimmig angenommen. Ausserdem wurde sie von allen für die Literatur und Sprache zuständigen kroatischen Institutionen und von allen Fachleuten unterschrieben, von denen besonders der Schriftsteller Miroslav KRLEZA und Prof. Ljudevit JONKE, beides aktive Mitglieder der kommunistischen Partei Kroatiens, hervorzuheben sind.

Das jugoslawische Polizeiregime, das auf einer fiktiven politischen Einheit der Südslawen beruht, in der Tat aber im Dienste der serbischen Hegemonie steht, wußte gegenüber der Solidarität der kroatischen Institutionen und Persönlichkeiten keine andere Antwort auf die Deklaration über die Benennung und die Lage der kroatischen Schriftsprache, als die Drohung und die Anwendung der Gewalt gegenüber den Unterzeichnern der Deklaration. Trotz dieser Reaktion des jugoslawischen Regimes bleibt die Deklaration ein unzerstörbares Dokument des hohen demokratischen und vaterländischen Bewußtseins der kroatisdien Intelligenz, die, in enger Verbindung mit dem Volk, aus dem sie hervorgeht, tapfer das Recht auf nationale Selbstbestimmung des kroatischen Volkes verteidigt. Die KROATISCHE RUNDSCHAU hält es für ihre besonders ehrenvolle Pflicht, für das internationale Publikum die Deklaration in deutscher Sprache herauszugeben.
DIE REDAKTION

Der jahrhundertelange Kampf der jugoslawischen Völker um nationale Freiheit und soziale Gerechtigkeit gipfelte in der revolutionären Umgestaltung in der Zeit von 1941 bis 1945. Die Errungenschaften der Volksbefreiungs-kämpfe gaben allen Völkern und Volksgruppen in Jugoslawien die Möglichkeit, in eine neue Phase ihrer geschichtlichen Existenz einzutreten. Gestützt auf die grundlegenden Prinzipien des Sozialismus über das Recht eines jeden Menschen, frei von jeder Unterdrückung zu leben, und das Recht eines jeden Volkes auf völlige Souveränität und unbeschränkte Gleichberechtigung mit allen anderen nationalen Gemeinschaften, bildeten die Slowenen, Kroaten, Serben, Montenegriner und Mazedonier einen föderativen Bund als Garantie dieser gegenseitigen Gleichberechtigung, Brüderlichkeit und sozialistischen Zusammenarbeit.
Das Prinzip der nationalen Souveränität und völligen Gleichberechtigung beinhaltet auch das Recht eines jeden unserer Völker, alle Attribute seiner nationalen Existenz zu bewahren und nicht nur seine wirtschaftliche, sondern auch seine kulturelle Tätigkeit maximal zu entwickeln. Unter diesen Attributen spielt die eigene nationale Bezeichnung der Sprache, derer das kroatische Volk sich bedient, eine wichtige Rolle, denn es ist ein unveräußerliches Recht eines jeden Volkes, seine Sprache mit seinem eigenen Namen zu benennen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um ein philologisches Phänomen handelt, das im Rahmen einer besonderen sprachlichen Variante oder sogar insgesamt auch einem anderen Volk eigen ist.

Die Neusatzer Übereinkunft („Novisadski dogovor") hat zu Recht die Gemeinsamkeit der linguistischen Grundlage der serbischen und der kroatischen Schriftsprache unterstrichen und die historische, kulturhistorische, nationale und politische Wahrheit vom Recht eines jeden Volkes auf das eigene Sprachmedium des nationalen und Kulturellen Lebens nicht bestritten. Diese Errungensdiaften haben auch in den Verfassungstexten und im Programm des Bundes der Kommunisten, der politischen Vorhut unserer Völker im revolutionärenKampf, ihre Formulierung gefunden.

Aber trotz der Klarheit der Grundprinzipien haben es gewisse Ungenauigkeiten in Formulierungen möglich gemacht, diese Prinzipien in der Praxis zu umgehen, zu verzerren und im breiten Rahmen der Realitäten unseres gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens zu verletzen. Die Umstände, unter denen in unserem Lande etatistische, unitaristisdie und hegemonistische Tendenzen wiederaufgelebt sind, sind bekannt. Im Zusammenhang mit ihnen tauchte auch die Konzeption von der Notwendigkeit einer einheitlichen »Staatssprache" auf, wobei diese Rolle in der Praxis wegen des dominierenden Einflusses des Verwaltungszentrums (Belgrad) unserer staatlichen Gemeinschaft der serbischen Schriftspradie zugedacht wurde. Obwohl auf dem VIII. Kongreß, dem IV. und dem V. Plenum des ZK/BdKJ die Bedeutung der sozialistischen Prinzipien über die Gleichberechtigung unserer Völker und dementsprechend auch ihrer Sprache in unseren Tagen betont worden ist, wird faktisch mit Hilfe des Verwaltungsapparats und der Mittel der öffentlichen und Massen-kommunikation (Bundeszeitungen, TANJUG, in gemeinsamen Sendungen des jugoslawischen Rundfunks und des Fernsehens, im Eisenbahnwesen, in der wirtschaftlichen und politischen Literatur, in Filmjournalen, den verschiedenen behördlichen Formularen), sowie durch die Sprachpraxis in den diplomatischen und politischen Organisationen eine „Staatssprache" der jugoslawischen Volksarmee, der Bundesverwaltung, der Gesetzgebung, aufgezwungen, so daß die kroatische Schrift- und Literatursprache unterdrückt und in die ungleiche Stellung eines lokalen Dialekts gedrängt wird.
Die außerordentlich wichtige, sich auf die wesentlichen Eigenschaften unserer sozialistischen Selbstverwaltungsgesellschaft stützende Initiative zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reform verpflichtet uns, in unserem Wirkungsbereich — Sprache, Literatur, Wissenschaft und Kultur im allgemeinen — alles Notwendige für die Realisierung aller dargelegten Prinzipien unserer sozialistischen Struktur in der Praxis zu unternehmen.

Von dieser Grundlage ausgehend, sind die unterzeichneten kroatischen kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen und Organisationen der Auffassung, daß es unbedingt notwendig ist:

1. Durch Verfassungsbestimmungen die Gleichheit und Gleichberechtigung aller vier Schriftsprachen: Slowenisch, Kroatisch, Serbisch und Mazedonisch klar und unzweideutig festzulegen. Zu diesem Zweck muß die Formulierung des Art. 131 der Verfassung der SFRJ geändert werden und müßte folgendermaßen lauten:

„Der authentische Text der Bundesgesetze und aller anderen allgemeinen Akte der Bundesorgane wird in den vier Schriftsprachen der Völker Jugoslawiens: Serbisch, Kroatisch, Slowenisch und Mazedonisch veröffentlicht. Die Bundesorgane sind verpflichtet, sich im Amtsverkehr an das Prinzip der Gleichberechtigung aller Sprachen der Völker Jugoslawiens zu halten."

Mit einer adäquaten Formulierung müssen auch die sprachlichen Rechte der nationalen Minderheiten in Jugoslawien gesichert werden.

Die bisherige Verfassungsbestimmung über die „serbokroatische" bzw. „kroatoserbisdie Sprache" ermöglicht es wegen ihrer mangelnden Präzision, daß diese Parallelbezeidmung als Synonym, aber nicht als Fundament der Gleichberechtigung der kroatischen und der serbischen Literatursprache sowohl im Verhältnis zueinander wie zu den Sprachen der übrigen jugoslawischen Völker gleichzeitig aufgefaßt wird. Eine derartige Unklarheit ermöglicht es, daß sich kraft der Realitäten in der Praxis die serbische Literatursprache als einheitliche Sprache der Serben und Kroaten aufgedrängt wird. Unzählige Beispiele, darunter als neuestes die Beschlüsse der V. Versammlung des Bundes der Komponisten Jugoslawiens, beweisen, daß dies die Wirklichkeit ist. Diese Beschlüsse sind gleichzeitig in serbischer, slowenischer und mazedonischer Version veröffentlicht worden, als gäbe es überhaupt keine kroatische Schriftsprache, oder als sei diese mit der serbischen identisch.
Die unterzeichneten Institutionen und Organisationen sind der Auffassung, daß das kroatische Volk in solchen Fällen nicht vertreten ist und keine gleichberechtigte Stellung einnimmt. Eine solche Praxis kann keinesfalls mit der im übrigen nicht anzuzweifelnden Tatsache gerechtfertigt werden, daß die kroatische und die serbische Schriftsprache eine gemeinsame linguistische Grundlage haben.

2. In Übereinstimmung mit den obigen Forderungen und Erläuterungen ist es notwendig, wo immer es sich um die kroatisdie Bevölkerung handelt, die konsequente Anwendung der kroatischen Schriftsprache in den Schulen, in der Presse, im öffentlichen und politischen Leben, im Rundfunk und Fernsehen zu sichern und dafür zu sorgen, daß Angestellte (gemeint sind insbesondere Behördenangestellte), Lehrer und öffentlich wirkende Personen, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft, sich der Literatursprache jenes Kreises bedienen, in dem sie wirken.

Wir unterbreiten diese Deklaration dem Sabor (Landesparlament) der Sozialistischen Republik Kroatien, der Bundesversammlung der SFRJ und unserer gesamten t3ffentlichKeit, damit die dargelegten Prinzipien bei der in Vorbereitung befindlichen Verfassungsänderung unzweideutig formuliert und in Übereinstimmung hiermit ihre konsequente Anwendung in unserem gesell-schaftlichen Leben gesichert wird. („Telegram", 17. 3. 1967.)

Matica hrvatska (Mutterhört für kroatische Kultur)
Schriftstellerverband Kroatiens
PEN-CLUB, Kroatische Zentrale
Kroatische Philologische Gesellschaft (JA ZU)
Abteilung für Philologie der Südslawischen Akademie der Wissenschaften und Künste (JAZU)
Abteilung für moderne Literatur der JA ZU
Institut der Sprache der JAZU
Institut für Literatur und Theatrologie der JA ZU
Lehrstuhl für moderne kroatisch-serbische Sprache der philosophischen Fakultät in Zadar
Lehrstuhl für moderne kroatisch-serbische Sprache der philosophischen Fakultät in Zagreb
Lehrstuhl für Geschichte der kroatischen Sprache und Dialektologie der philosophischen Fakultät in Zagreb
Lehrstuhl für ältere kroatische Literatur der philosophiscben Fakultät in Zadar
Lehrstuhl für ältere kroatische Literatur der philosophischen Fakultät in Zagreb
Lehrstuhl für neuere kroatische Literatur der philosophischen Fakultät in Zadar
Lehrstuhl für neuere kroatische Literatur der philosophischen Fakultät in Zagreb
Institut für Linguistik der philosophischen Fakultät in Zagreb
Institut für Literaturwissenschaft der philosophischen Fakultät in Zagreb
Altslawisches Institut in Zagreb
Verein der literarischen Übersetzer Kroatiens

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Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967




Ver también / See also / Gledaj isto:

The 1967 Declaration and related texts, in 5 languages (16 texts)

Croatian

Matica iseljenika i Deklaracija o nazivu i položaju hrvatskoga književnog jezika - Ivan Čizmić

Deklaracija o Nazivu i položaja Hrvatskog Književnog jezika i emigracija – Joza Vrljicak

Deklaracija o nazivu i položaju hrvatskog književnog jezika (1967) - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967


Apel hrvatskih književnika i pisaca u emigraciji – Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967


Od Baščanske ploče do zagrebačke Deklaracije (1076-1967) – Vinko Nikolić - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967
http://studiacroatica.blogspot.com.ar/2017/04/od-bascanske-ploce-do-zagrebacke_6.html

Borba za hrvatski književni jezik (1967) – Krsto Spalatin - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967


Spanish

Los croatas en defensa de su idioma nacional - Ivo Bogdan, Buenos Aires - Studia Croatica, Año VIII, Buenos Aires, 1967, N° 24-27

La declaración sobre la denominación y la situación actual del idioma literario croata - Studia Croatica, Año VIII, Buenos Aires, 1967, N° 24-27

Proyecto de resolución de un grupo de escritores servios - Studia Croatica, Año VIII, Buenos Aires, 1967, N° 24-27

La lengua croata - Zdravko Sancevic, Caracas, Venezuela - Studia Croatica, Año VIII, Buenos Aires, 1967, N° 24-27


German

Deklaration über die Bezeichnung und Stellung der kroatischen Schriftsprache - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967

Appell kroatischer Schriftsteller im Exil - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967


French

Declaration sur l'appellation de la langue littéraire croate et sur sa situation dans les circonstances actuelles (1967) - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967

Appel des écrivains croates en exil (1967) - Hrvatska Revija, godina XVII, svezak 1-2 (65-66), München, Kolovoz 1967


English

Serbo-Croatian or Serbian and Croatian? Considerations on the Croatian Declaration and Serbian Proposal of March 1967 – Includes the Declaration Concerning the Name and the Position of the Croatian Literary Language - Christopher Spalatin - Journal of Croatian Studies, VII-VIII, 1966-1967, Annual Review of the Croatian Academy of America, Inc., New York

Statement of the Croatian Academy of America Regarding the Zagreb Language Declaration (1967) - Journal of Croatian Studies, VII-VIII, 1966-1967, Annual Review of the Croatian Academy of America, Inc., New York




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